Alien-Piraten

Teil 3: Erinnerungsfunken

Erinnerungen sind die Fundamente unserer Identität, der Schlüssel zu unserem Verständnis der Welt und unserer selbst. Für mich sind Erinnerungen weit mehr als nur ein Puzzleteil meiner Vergangenheit. Sie sind mein ständiger Begleiter. Sie sind das beständige Bemühen, mir vergangene Geschehnisse im Geist zurückzurufen, sie wiederzuerwecken und erneut zu durchleben. Sie sind für mich die Hoffnung, irgendwann noch mehr Details aus ihnen rekonstruieren zu können. Sie sind für mich die Frustration, an so viele Informationen nicht mehr herankommen zu können und von einem bedeutenden Teil meines eigenen Lebens ausgeschlossen zu sein.

Für einen Außenstehenden ist das alles vielleicht nur schwer nachzuvollziehen. Wie kann es sein, dass man sich nicht einfach an etwas erinnern kann, das man doch erlebt hat? Diese Frage steht stellvertretend für das gesamte Entführungsphänomen an sich, das irgendwie so unfassbar und flüchtig erscheint. Was wir “Experiencer” davon zurückbehalten, sind oft nur Erinnerungsfunken, die so zerbrechlich und vergänglich sind wie Sand, der zwischen den Fingern zerrinnt. So wie der Tag die Nacht ablöst, so verblassen mit dem einsetzenden Zwielicht auch die Bilder und Erinnerungen an die nächtlichen Erlebnisse.

Diese Analogie lässt sich buchstäblich auf meine Kindheit übertragen. Nachts durchlebte ich meine mysteriösen Erfahrungen, während ich tagsüber ein normales Kind war, das auf Bäume kletterte und mit Freunden spielte. Vielleicht hätte das immer so weitergehen können: Ein Leben in zwei getrennten Welten, die einander scheinbar nie berühren. Aber meine Erinnerungen ließen dies nicht zu. Immer wieder durchbrachen Bruchstücke und flüchtige Fetzen die Grenzen des Vergessens. Die Bilder waren von immenser Wichtigkeit und gleichzeitig so unerreichbar fern. Bereits als Kind versuchte ich, mir einen Reim darauf zu machen, und spürte, dass diese Erinnerungen etwas Bedeutsames enthielten.

Bestimmte Auslöser – ein Geräusch, ein Bild, ein gelesener Satz – katapultierten mich wieder zurück in die Nähe der Wesen, die ich besser zu kennen schien, als es mir eigentlich lieb war. Eine kurze Ahnung, ein vages Gefühl, und schon sah ich die kleinen Männer vor mir, die nachts in mein Zimmer kamen.

Die Ereignisse der Nacht begannen langsam ihre Schatten auf meine kleine Welt zu werfen. Diese kurzen, spontanen Erinnerungen zeigten mir, dass die beiden Welten – die Welt, die ich kannte, und die Welt, aus der die Wesen kamen – längst nicht so untrennbar waren, wie es den Anschein hatte. Sie waren nur einen Hauch voneinander entfernt. Die “andere Welt” war nicht von uns abgeschnitten, sondern existierte parallel zu unserer eigenen. So wie das Sonnenlicht die Dunkelheit erhellt, überstrahlte die vertraute, alltägliche Welt eine fremde, unheimliche Dimension, die ich nun zu erahnen begann.

Ich war auf die Randbereiche aufmerksam geworden, in denen die beiden Welten ineinander übergingen. Diese Zone des Übergangs, das Zwielicht, wurde mir immer zugänglicher.

Wie lange schon existierten diese beiden Welten in mir? Wann und wie hatte das alles begonnen?

In meiner Kindheit waren Außerirdische in der Regel kleine grüne Männchen, die eine niedliche Ausstrahlung hatten und Antennen auf den Kopf trugen. Es war die Zeit vor Akte X. Die heutigen Darstellungen der “Greys” waren zur damaligen Zeit in Deutschland noch unbekannt. Die zauberhaften Gestalten, die sich in Märchen und in Kinderbüchern tummelten, faszinierten mich ohnehin um vieles mehr.

In einem Märchenbuch stieß ich einmal auf die Geschichte von einigen “kleinen Räubern”, die nachts ein Kinderzimmer betraten, in dem ein Junge in seinem Bett lag. Die Illustration im Buch – kleine Piraten mit schwarzen Augenklappen, löste in Kombination mit dem nächtlichen Setting eine Erinnerung in mir aus: In meinem Geist sah ich die unheimlichen Gestalten, die nachts aus dem Flur in mein Zimmer kamen. Die kleinen Männer, die ungehindert bei mir auftauchten, nur um anschließend wieder im Nichts zu verschwinden. Ich wollte sie gar nicht erst ansehen. Ihre Gesichter waren anders.  Da war etwas mit ihren Augen. Sie trugen zwar keine Augenklappen, aber ihre Augen wirkten irgendwie größer und dunkler. Märchenhaft war DAS für mich ganz und gar nicht!

Was für einige amerikanische Entführte die geflügelten Affen im Film “Der Zauberer von Oz” waren, waren für mich die Gorgs aus der Serie “Fraggles”. Beim ersten Sehen lösten diese großäugigen Gestalten mit ihren seltsam dröhnenden Stimmen eine gehörige Panik in mir aus. Die Fraggles lebten in einer ständigen Bedrohung. Sie mussten jederzeit mit dem Erscheinen der Gorgs rechnen, die sie einfangen und mit sich nehmen wollten. Die großen Augen, die dröhnenden Stimmen und das Fangen triggerten etwas in mir. In einem Moment war alles noch ganz normal, doch plötzlich konnte die Welt irgendwie aufplatzen und sich verändern. Im nächsten Augenblick standen die kleinen Männer da und wollten mich mit sich nehmen. Die Furcht vor dem plötzlichen Einbruch dieser anderen Dimension wurde für mich gegenwärtiger.

In diesem Zusammenhang hörte ich zum ersten Mal eine ähnliche dröhnende Stimme. Die Stimme hatte einen Klang, der mich an die Stille unter Wasser erinnerte, an die abgeschnittene Welt, die entsteht, wenn man mit dem Kopf in der Badewanne untertaucht. Wenn parallel dazu jemand im Raum stand und etwas sprach, führte es zu einem ganz ähnlichen Effekt. Ungefähr so würde ich die “Stimmen” der Wesen beschreiben. Stimmen, die unheimlich präsent und entrückt waren. Leicht hallend und dröhnend, aber auch monoton und gedämpft, als kämen sie aus weiter Ferne. Gleichzeitig waren ihre Worte so klar und nah wie ein Bohrer, der sich einen in den Kopf frisst. Ich sollte die Stimmen danach noch öfter hören und irgendwann realisieren, dass die Stimmen der Wesen in meinem Kopf waren, wenn sie zu mir sprachen.

Wie lange ging das alles schon so vor sich? Meine Erinnerungen reichen ungewöhnlich weit zurück. Ich habe verschwommene Erinnerungen an das tiefste Frühkindalter, in denen ich mich nachts vor etwas fürchtete. Ich sah schattenhafte Gestalten, hörte die seltsamen Stimmen oder hatte das Gefühl, nicht mehr länger an dem Ort zu sein, an dem ich mich eigentlich befinden sollte.

Natürlich ist mir bewusst, dass meine frühen Erinnerungen aufgrund meines Alters auch Fehlinterpretationen sein könnten. Aber es gab Momente, die sich so tief in mein Gedächtnis gebrannt haben, dass sie sich einfach nicht als bloße Fantasie abtun lassen.

Eine dieser Erinnerungen prägte sich mir jahrelang ein, bis ich schließlich eine Art Bestätigung für sie fand. Ich war noch klein und schlief mit meinem Bruder auf provisorischen Matratzen auf dem Boden. Der Raum, der zur Wohnung gehörte, wirkte fremdartig und leer, bis auf einen altmodischen Schrank mit Buntglasfenstern. Wir schliefen dort nur zwei oder drei Nächte.

In einer Nacht wurde ich aufgeweckt. Das Zimmer war in ein bläuliches Licht getaucht und zwei oder drei der kleinen Männer standen bereits direkt im Raum. Einer von ihnen war größer und trug das weißliche Gewand, das ich bei späteren Erlebnissen wiedergesehen habe. Die gewandete Gestalt beugte sich zu mir herunter. Sie fasste meinen Körper an und wollte mich gemeinsam mit einer anderen Gestalt, die neben mir stand, zum Aufstehen bewegen. Ich versuchte mich panisch dagegen zu Wehr zu setzen, wurde aber trotzdem aufgerichtet und schließlich auf die Beine gestellt. An diesem Punkt endet meine Erinnerung.

Der Raum flößte mir danach Angst ein. Als ich am nächsten Tag vor dem altmodischen Schrank stand, kam das ganze Geschehen hoch und spielte sich noch einmal vor meinem inneren Auge ab. Die Erklärung für den leeren Raum und den Schrank erschloss sich mir erst nach und nach.

Während eines Umzugs innerhalb des Hauses hatten wir Kinder für kurze Zeit in diesem alten Zimmer auf dem Boden geschlafen. Die Möbel waren bereits entfernt, bis auf den Schrank mit Buntglasfenstern, an dessen Fuß wir unsere Matratzen hatten. Der Raum wirkte dadurch sehr viel größer und ich empfand es als unangenehm, in dieser fremden Umgebung schlafen zu müssen. Später fand ich sogar ein Foto, das den alten Schrank zeigte, der nicht mehr in die neue Wohnung übernommen wurde.

Das sind ein paar Beispiele, mit denen ich betonen will, dass ich diese Erinnerungen bereits als Kind in mir getragen habe und noch heute in mir trage. Ich habe sie nicht erst später als Erwachsener “erfunden”. Sie sind ein Teil meiner Geschichte, die ich nach wie vor zu verstehen versuche.

Schnell lernte ich, dass diese Wesen aus irgendeinem Grund nur wegen mir kamen. Sie kamen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und wollten, dass ich mit ihnen mitging. In diesen Momenten half es nichts mehr, nach jemanden zu rufen. Obwohl mein Bruder nur ein paar Schritte neben mir entfernt lag, passierte nichts. Meine Mutter, die sonst jedes noch so kleine Geräusch hörte, stand nicht auf, um nach mir zu sehen. Niemand kam, um das Licht im Korridor oder in unserem Zimmer anzuschalten.

Meines Wissens nach war mein Bruder nicht in diese Geschehnisse involviert. Ich hatte den Eindruck, dass die Wesen (oder eines von ihnen) gelegentlich an seinem Bett Halt machten, um kurz nach dem Rechten zu schauen. Davon abgesehen habe ich keine sonstige Form der Interaktion mit ihm bemerkt. Schon bevor die Wesen überhaupt mein Zimmer betraten, lag ihr Fokus allein auf mir. Ich wusste bereits, dass sie wegen mir kamen. Sie kamen herein und sahen mich an. Sie kamen auf mein Bett zu und sprachen mich an.

Anders als bei manchen anderen Berichten war ich während dieser Momente nie gelähmt. Ich hatte nach wie vor die vollständige Kontrolle über meine körperlichen Funktionen und konnte mich frei bewegen. Im Gegensatz zu meinem Bruder und meinen Eltern war ich nicht nur völlig klar und hell wach – ich war sogar wacher als wach und klarer als klar. Die Angst und das Adrenalin durchströmten jede Faser meines Körpers und schärften meine Sinne ins Unermessliche.

Mit zunehmendem Alter wuchs mein Widerstand gegen die Wesen. Ich wollte verhindern, dass sie zu nah an mich herankamen, denn dann war ich wirklich dazu gezwungen, sie direkt anzusehen und mit ihnen mitzukommen.

Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, nahmen die Ereignisse langsam immer mehr an Intensität zu. Das große, gewandete Wesen, das bei meinen ersten Erlebnissen präsent war, trat beim Abholen in den Hintergrund. Ein drittes, kleines Wesen füllte seine Lücke. Die Besuche nahmen zu, die Abläufe wurden routinierter, direkter und schneller.

Wenn mich die Wesen erreicht hatten, war meistens Schluss. Ab diesem Punkt schwand meine klare Wahrnehmung. Es war so, als ob ich beinahe vollständig in den Einflussbereich der Wesen übergehen wurde.

Die Schwierigkeit, sich an bestimmte Dinge zu erinnern, hat meiner Meinung nach vielschichtige Gründe. Angst spielt dabei sicher eine Rolle. Es kann etwas damit zu tun haben, dass diese Ereignisse so weit außerhalb des Alltäglichen liegen, dass sie sich nicht in den Rahmen unseres Weltbilds einfügen lassen.

Ein großer Teil meiner Erinnerungslücken hat meiner Meinung nach mit den Wesen selbst zu tun. Das Erinnern scheint eng mit ihrer Anwesenheit und der Atmosphäre, die sie mit sich bringen, verbunden zu sein. Es hat etwas mit den Umgebungen und Zuständen zu tun, in denen man sich bei ihnen befindet, und mit den Informationen, die in diesen Momenten zugänglich sind.

In ihrer Gegenwart scheinen die normalen Regeln der Erinnerung außer Kraft gesetzt zu sein. Es ist, als ob ein Teil meines Gedächtnisses in einer anderen Dimension gespeichert wird, die für mein normales Bewusstsein unzugänglich ist.

Seltsamerweise war die Trennung zwischen den beiden Welten für mich aufgehoben, wenn die Wesen da waren. Die Wesen brachten das Zwielicht mit sich. Sie brachen die Barriere zwischen den Welten auf irgendeine Art und Weise auf. Das Gefühl dieser besonderen Atmosphäre war allgegenwärtig und fast greifbar.

So verändert die Umgebung in diesen Augenblicken auch war und so mutterseelenallein ich mich dabei mit ihnen fühlte – ich hatte damit auch Zugang zu den Informationen auf “ihrer” Seite. Ich wusste genau, wer sie waren und weshalb sie da waren. Ich konnte mich an die vergangenen Geschehnisse mit ihnen erinnern. Es war mir nur nie möglich, dieses Wissen zu bewahren und wieder mit mir zurückzubringen – bis auf ein paar Ausnahmen.

Ich wurde nicht bewusstlos, meine Erinnerungen wurden nicht gelöscht. Denn als Kind war mir völlig klar, dass ich mit zu “ihnen” ging. Was ich davon mitnehmen konnte, zerrann wie Sand zwischen meinen Fingern. Der Staub in meiner Hand ist mir jedoch geblieben – Erinnerungsfunken, die bis heute in meinem Geist aufblitzen.

Woran ich mich bei ihnen erinnere, wird im nächsten Teil meines Erlebnisberichts behandelt.

Quellen: Beitragsbild von Bing Image Creator.

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