Bei den Wesen

Teil 3: Bei den Wesen

Wenn ich an die Aliens in meiner Kindheit zurückdenke, dann beschwört es zwangsläufig das charakteristische Gefühle hervor, das mit ihrem Eintreffen verbunden war. Ich kann nicht direkt sagen, ob diese Ausstrahlung von den Wesen selbst, ihrer Technik oder von einer Art Beeinflussung der Umgebung ausgeht. Für mich war sie eng mit den Gestalten und den Ort verknüpft, an den sie mich hinbrachten. Wann immer sich die Atmosphäre um mich herum in dieser charakteristischen Weise veränderte, war ihr Auftauchen sicher, selbst wenn sie noch nicht sofort zu sehen waren. Ab diesem Punkt konnte es noch ein bis zwei Minuten dauern, ehe sie bei mir waren. Meine Gedanken in diesen Momenten waren: “Sie sind wieder da!” Und: “Es ist zu spät.” Nichts konnte ihr Erscheinen mehr verhindern.

Von jetzt an gehorchte meine gewohnte Umgebung nicht mehr den normalen Regeln. Ich war dort, wo ich immer war, aber alles fühlte sich irgendwie leicht herausgehoben oder verschoben an. Der Raum um mich herum war mit einer “Dichte” erfüllt und wie zum Zerreißen gespannt. Ich hörte das Tinnitus-Geräusch in meinen Ohren, das durch die vollkommene Stille heraustrat und sich wie ein durchdringender Klang mit all diesen Dissonanzen vermischte. Meine Einsamkeit war ebenso vollkommen. Es machte keinen Unterschied, ob die Wände um mich herum da waren oder nicht. Für die Wesen hatten sie keine Bedeutung. Ich fühlte mich wie auf einem leeren Feld, auf dem ich mich nirgendwo vor ihnen verstecken konnte. Ich spürte sie, und sie spürten mich. Sie wussten jedes Mal zielgenau, wo ich mich befinden würde, und ich wusste seltsamerweise, wo ungefähr in der Wohnung sie sich gerade aufhielten.

Meine Reaktionen in der Anfangszeit könnte man mit einer Schockstarre vergleichen – wie ein Tier, das man in der Dunkelheit mit einem Scheinwerfer anstrahlt. Am liebsten wollte ich mich nicht mehr bewegen, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und nicht mit ihnen interagieren zu müssen. Ich wollte sie auch nicht direkt ansehen. Das hatte etwas mit ihrem Aussehen, ihren starrenden Blicken und dem allumfassenden Gefühl zu tun, wenn sie ganz nah waren. Eine Art Schauern oder Prickeln stieg überall in meinem Körper auf und ergriff mein ganzes Wesen. Es war eine Mischung aus Angst und ihrer unmittelbar auf mich einwirkenden, geistigen Aura.

Wenn sie bei mir waren, wollten sie, dass ich aufstand und assistierten mir dabei. Ich hatte bereits das bekannte Bild vor Augen, wo es gleich hingehen würde. Als Kind war mir jedes Mal völlig klar, dass ich mit zu “ihnen” ging. Ich mochte es dort nicht. Zu einem großen Teil hing das damit zusammen, dass ich dort immer mit den Wesen zusammen sein musste. Eines von ihnen ging eher voraus. Die anderen befanden sich in meiner direkten Nähe, meistens an meiner Seite oder mit einem der Wesen leicht hinter mir. Zusammen gingen wir durch die geöffnete Zimmertüre.

Das Licht in der Wohnung wirkte oft so, wie es den natürlichen nächtlichen Gegebenheiten entsprach – manchmal war es durch den Vollmond etwas heller, manchmal war es in der Wohnung dunkler. Einige Male wirkte das Licht heller oder bläulicher. Gelegentlich konnte eine ungewöhnliche Dunkelheit in der Umgebung herrschen, was mich an einen Stromausfall erinnerte.

An diese kurzen Zeiträume in der Wohnung habe ich meistens keine Erinnerung – ein Teil davon kam später wieder in Form eines Flashbacks oder einer Art mentaler Übertragung zurück. Deshalb folgt hier erst einmal Leere. Wir gingen auf jeden Fall durch den Korridor. Manchmal erinnere ich mich an kurze Eindrücke im Wohnzimmer.

Eine verschwommene Ahnung: Ein vages Gefühl, das mir jedes Mal unangenehm war. Zum Glück hielt es nur kurz an. Meine Beine verlieren kurz den Kontakt zum Boden. Ich werde irgendwie hochgezogen. Dann waren wir auch schon bei ihnen.

Die stärkste Erinnerung, die ich von diesen Orten habe, ist ein bestimmtes Bild: Zwei der Wesen, die direkt vor mir stehen. Das linke ist das gewandete Wesen, das rechte gehört zu den anderen. Das Licht ist gedimmt und abgedunkelt. Anders kannte ich es bei ihnen eigentlich nicht. Es waren keine weißen, hell ausgeleuchteten  Räume, wie man sie aus manchen Berichten kennt.

Direkt um uns herum ist ein gelbliches Licht, das eher schummerig und kellerartig wirkt. Das gewandete Wesen spricht mit mir und versucht mich in eine Interaktion zu verwickeln. Es stellt mir Fragen, bis ich verschüchtert antworte. Die Zeit bei ihnen wirkte wie eine Mischung aus Arztbesuch und Schule, nur in einer unangenehmen Form. Je mehr ich in die irdische Schule ging, desto stärker setzte sich auch ihre “Schule” fort, und sie begannen häufiger zu mir zu kommen.

Bei den Wesen

In diesem speziellen Raum aus meiner Erinnerung geht es nach hinten weiter. Im Dämmerlicht sehe ich einige der anderen Wesen, die in Abständen zueinander an den beiden Wänden des Raumes stehen und beschäftigt wirken. Einmal habe ich es geschafft und bin etwas ängstlich in den hinteren Teil gegangen. Ich wollte nachschauen, ob ich dort irgendwo aus dem Raum herausgehen konnte. Die beiden Wesen wirkten kurz alarmiert, doch anstatt mir hinterherzulaufen, blieben sie nur stehen und starrten mir hinterher. Ich hatte den Eindruck, als ob das gewandete Wesen mir mitteilte, dass es dort nicht mehr weiterging, aber ich wollte nicht auf es hören.

Eingeschüchtert ging ich an den Wesen vorbei, die ganz leicht erhöht standen und mit irgendetwas an den Wänden beschäftigt waren. Ich fürchtete, dass sie plötzlich innehalten, mich anschauen und zu mir kommen würden, aber sie brachten mir keine besondere  Aufmerksamkeit entgegen. Im hinteren Teil wurde es etwas dunkler, und dort befand sich tatsächlich einfach nur eine Wand. Ich erinnere mich an meine Enttäuschung und an ein Gefühl der Unausweichlichkeit. Gleichzeitig verspürte ich eine Art Scham. Ich musste wieder zu ihnen zurück. Gleichzeitig dachte ich: “Ohne sie komme ich nicht mehr zurück (nach Hause).”

Sonst habe ich eher verschwommene Eindrücke. Ein separater Raum mit einem kleinen Tisch, an dem wir uns gegenübersitzen, und der die Ausstrahlung eines Klassenzimmers hat. Eine Art dunkler Durchgangsbereich, durch den wir gehen. Ein großer Raum mit mehreren kargen, metallisch wirkenden Tischen. Ich stehe auf der einen Seite eines Tisches, an der rechten unteren Seite, und das gewandete Wesen steht auf der anderen Seite, an der eher linken oberen Hälfte. Es blickt mich an und versucht mit mir zu sprechen oder mir etwas zu erklären. Ich habe den Eindruck, dass es den Abstand zu mir einhält, um beruhigend auf mich einzuwirken. Über die gesamte Fläche des Raums sind weitere leere Tische verteilt. Ein kleines Wesen steht etwas abseits, rechts von mir, und starrt in unsere Richtung.

Kapuzenwesen an Bord

Es war eine sonderbare Szene. Meinem Gefühl nach ereignete sie sich ein paar Jahre später, bevor ich in die Pubertät kam und meine Erlebnisse sich langsam veränderten. In einer dieser späteren Erinnerungen werde ich auf einem Tisch wach, und die Wesen stehen um mich herum.

In der Anfangszeit übernahm das gewandete Wesen einen größeren Teil der Betreuung. Später sah ich es erst oben bei ihnen, wo es mich dann in Empfang nahm. Ich kann mich noch gut an seine Ausstrahlung erinnern. Wenn ich ihn mit einem einzigen Wesensmerkmal beschreiben müsste, würde ich sagen, dass er “ernst” war, dass er eine gewisse Ernsthaftigkeit und Disziplin ausstrahlte. Als nächstes Attribut würde ich seine ungeheure Beharrlichkeit nennen. Selbst wenn ich partout mitmachen wollte, machte er immer und immer weiter, bis ich nicht mehr anders konnte. Ich erinnere mich schemenhaft an seine endlos wirkenden Litaneien, die charakteristische, monoton-dröhnende Stimme, an seine Nähe und das Gefühl, der Situation nicht entfliehen zu können, außer ich machte mit.

Ich weiß nicht so Recht, ob sie ihre große Freude mit mir hatten. Ich wollte die Interaktion mit ihnen nicht. Ich stand einfach da und ließ das Ganze irgendwie über mich ergehen. Ich versuchte die Worte in meinem Kopf wegzustoßen oder an mir vorbeiströmen zu lassen, bis ich am Ende doch wieder gezwungen war, ihnen zu antworten oder bei ihren Aktivitäten mitzumachen. Die Details sind weit hinten in meinem Bewusstsein vergraben, an einem Ort, den ich bislang nicht erreichen kann. Ich weiß, dass sie mir Fragen stellten oder mir irgendetwas erzählten. Es ging manchmal um kleine Aufgaben, mit denen ich mich beschäftigen sollte, während sie mir zuschauten. Einige der Dinge, die sie mir erzählt haben, hatten wahrscheinlich einen großen Einfluss auf mein Wesen, mein Denken und Fühlen, und letztendlich erhebliche Auswirkungen auf mein weiteres Leben, die ich bis heute kaum erahnen kann.

Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, nahmen die Ereignisse langsam immer mehr an Intensität zu. Das große, gewandete Wesen, das bei meinen ersten Erlebnissen präsent war, trat beim Abholen in den Hintergrund. Ein drittes, kleineres Wesen füllte seine Lücke. Die Besuche nahmen an Häufigkeit zu, die Abläufe wurden routinierter, direkter und schneller.

In diesem Zeitraum wuchs mein Widerstand gegen die Wesen. Ich wollte von Anfang an verhindern, dass sie zu nah an mich herankamen, um sie nicht ansehen und mit ihnen mitkommen zu müssen. Es war eine abstrakte Hoffnung, an die ich mich klammerte und die ich nicht aufgeben wollte. Ich setzte mich zunehmend gegen sie zur Wehr. Sobald die Wesen mich dann erreicht hatten, schwand meine klare Wahrnehmung um ein vieles mehr. Es war so, als ob ich beinahe vollständig in den Einflussbereich der Wesen übergehen würde. Dafür sollte ich mich nun weitaus intensiver daran erinnern, was in den anfänglichen Momenten passierte, wenn sie mich holen kamen.

Grafiken: Teilweise erstellt mit künstlicher Intelligenz von Microsoft Bing

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