Bild aus stalkers Erlebnisbericht: Nächtlicher Gang auf den Balkon

Teil 10 – Der Gang auf den Balkon

Bislang waren meine bewussten Erlebnisse mit den Greys recht bruchstückhaft. Ich konnte mich daran erinnern, mit den Wesen das Zimmer verlassen zu haben und mit ihnen durch den Korridor der Wohnung gegangen zu sein. An diesem Punkt der Handlung brach das Geschehen typischerweise ab. Mit der Zeit konnte ich mir zusammenreimen, dass unser Ziel am anderen Ende der Wohnung lag – möglicherweise auf dem Balkon. Damit wichen meine Erlebnisse von den stereotypischen Schilderungen ab, die damals in den Medien so populär waren. Statt gelähmt im Bett zu liegen und mit einen Lichtstrahl durch das Fenster oder die Zimmerdecke gehoben zu werden, unternahmen die Wesen einen umständlichen Gang durch die ganze Wohnung, um mich direkt aus meinem Zimmer abzuholen. Mir fehlte jedoch die entscheidende Erinnerung, die zusammenhängend genug war, um hinter die möglichen Gründe für dieses Vorgehen zu kommen.

Ein solches Erlebnis hatte ich im Spätsommer 2002. Zu diesem Zeitpunkt stand ich mit zwei anderen Betroffenen in regen Kontakt. Alles war neu und aufregend. Es herrschte eine Art von Aufbruchstimmung und ich hatte den inneren Drang, noch weitere Betroffene zu finden. An einem Morgen stellte sich heraus, dass wir alle drei in der letzten Nacht ein Erlebnis irgendeiner Art gehabt hatten. Ich kann nicht mehr ganz präzise sagen, ob es sich dabei um die folgende Erfahrung gehandelt hat, aber allein das war schon erstaunlich genug für mich.

An jenem Samstagabend wurde ich ungewöhnlich müde. Normalerweise war ich es gewohnt, die Nacht zwischen Fernseher und PC durchzumachen, doch diesmal senkte sich eine ungewöhnliche, bleierne Müdigkeit über mich. Ich konnte nicht mehr anders und ging zerknirscht zu Bett.

Trotz meiner Müdigkeit hörte ich über meine Kopfhörer noch ein wenig Musik. Das war eine Angewohnheit, die ich mir seit einiger Zeit zum besseren Einschlafen angewöhnt hatte. Sie half mir gegen meine Angst vor der Dunkelheit. Aufgrund meiner Müdigkeit beließ ich es nur bei ein paar Minuten, schloss die Augen und schlief schnell ein.

Genauso so schnell wurde ich auch wieder wach. Ich schien so etwas wie eine Schlafparalyse zu durchlaufen. Bislang kannte ich Schlaflähmungen eigentlich nur aus meiner späten Kindheit und Pubertät, aber nicht in Verbindung mit meinen Entführungen. In solchen Fällen hatte ich mir vorgenommen, mich auf einen einzelnen Körperteil zu konzentrieren, um die Paralyse mit einer Bewegung zu durchbrechen. Falls es sich um keine Schlaflähmung, sondern doch um eine echte Entführung handeln sollte, konnte ich die Wesen vielleicht vertreiben, indem ich mich ihrer Lähmung widersetzte – so zumindest meine Logik.

Ich versuchte es mit meinem Arm und nahm all meinen Willen zusammen. Langsam schaffte ich es tatsächlich, ihm eine Regung zu entlocken. Ich war nicht allein. Eine Schlaflähmung kann von dem Gefühl einer diffusen Anwesenheit im Raum begleitet werden, aber das hier war anders – die Atmosphäre war vertrauter und konkreter. Grey-like. Ich nahm zwei oder drei Wesen wahr, die ein paar Schritte vor meinem Bett standen, so wie sie es früher schon in ihrer bekannten Art getan hatten – regungslos, den Blick und ihre Aufmerksamkeit auf mich gerichtet.

Ironischerweise erweckte ihre stoische Ruhe in diesem Augenblick nur meine Sorge, ob sie meine neu gewonnene Bewegungsfreiheit überhaupt registriert hatten. Ich versuchte ein wenig nachzuhelfen und hob langsam meine Hand, die immer noch nicht völlig aus dem Bann der Lähmung befreit war.  Ich drückte auf den Lichtschalter meiner Bettlampe. Nichts geschah. Stattdessen passierte etwas anderes. Mein Bewusstsein durchlief eine leichte Veränderung. War ich zuvor noch hellwach gewesen, so fand jetzt eine Eintrübung statt. Es war, als ob die Wesen genauestens über meine inneren Denkprozesse Bescheid wussten und dem Ganzen nun ein wenig entgegensteuerten. Ich unterstand plötzlich wieder ihrer Kontrolle. Es handelte sich um jenen paradoxen Zustand, den ich bereits von meinen früheren Begegnungen kannte, aber diesmal blieb mir eine etwas größere Freiheit. 

Die körperliche Lähmung fiel augenblicklich von mir ab. Zunächst stand ich wie ferngesteuert aus meinem Bett auf und fühlte mich wie ein Beobachter des Geschehens. Mein Bewusstsein war leicht eingetrübt und dennoch erstaunlich klar, so dass meine Erinnerung nicht in jedem Moment zu kollabieren drohte. Selbst körperlich blieb mir ein leichter Handlungsspielraum erhalten. Die Zügel waren zwar angezogen, doch nicht bis zum äußersten Ende. Ich konnte – oder durfte – den Verlauf der Entführung miterleben. Wie so oft stellt sich mir hier die Frage, ob es sich dabei um einen Fehler gehandelt hat oder ob meine Freiheit auf einer bewussten Entscheidung der Wesen beruhte. Ein paar Lücken begannen sich damit zu schließen.

Gleichzeitig wurde mir indirekt ein Spiegel vorgehalten. Ich konnte mich selbst dabei beobachten, wie ich in der Anwesenheit der Wesen reagierte. In der Vergangenheit hatte ich den Wesen verängstigt zu übermitteln versucht, dass ich nicht mit ihnen mitkommen wollte. Das hatte sich nun gewandelt. Ich war jetzt älter und etwas abgeklärter. Ihre Anwesenheit war für mich noch immer nervenaufreibend, aber ich verfiel nicht automatisch in blinde Panik. Stattdessen verhielt ich mich jetzt häufig wie ein bockiger Teenager: „Ok, ihr seid da, also los, bringen wir es hinter uns!“

Unter der Oberfläche blieb ich weiterhin unberechenbar – sowohl mir selbst, als auch den Wesen gegenüber. Die ersten Schritte aus dem Zimmer heraus rannte ich sogar. Es war ein Ausdruck meiner inneren Rebellion. Die Wesen waren darauf vorbereitet und ließen mich gewähren. Ich konnte damals selbst nicht einschätzen, ob ich sie nicht doch in einer Kurzschlussreaktion angegriffen hätte.

Es schien, als hätten die Wesen selbst für diese Möglichkeit eine Antwort parat. Als ich im Wohnzimmer angekommen war, fiel mir auf, dass unser Weg besonders gesichert war. Ein oder zwei Wesen gingen, wie oft üblich, hinter mir her. Diesmal sah ich jedoch einen großen Grey, der regungslos am Ende des Wohnzimmers stand und mich anstarrte. Das war eher unüblich. Zwei Wesen – ein großes und ein kleines – befanden sich in der Mitte des Wohnzimmers, seitlich am Sofa und etwas abseits in der Nähe des Flurs, versetzt hinter dem Couchtisch. Die Anordnung der Wesen ähnelte einem Spalier, durch das ich langsam hindurchschritt. Alle Winkel der Wohnung waren von ihnen besetzt. Ich fröstelte. Die Atmosphäre des Raums war völlig von ihnen eingenommen. 

Als ich auf diesen seltsamen Anblick stieß, begann ich, die Wesen in meinen Gedanken auf das Übelste zu beschimpfen. Ich weiß bis heute genau, was ich ihnen gedanklich übermittelte – „Ihr Pisser! Ihr Pisser!“ Ich erhielt keinerlei Reaktion. Mir war trotzdem bewusst, dass die Wesen meine inneren Vorgänge überwachten. Ich folgte einem unsichtbaren Drehbuch und wusste ganz präzise, dass wir auf den Balkon gehen würden, dessen Jalousien nun geöffnet waren (die Balkontüre war wegen der Wärme über Nacht offen gelassen worden).

Auf dem Balkon angekommen begann mein Restbewusstsein langsam zu schwinden. Ich ging bis vor an das Geländer, so, wie es mir vorbestimmt zu sein schien, während mich der größere Grey beobachtete und sich dann hinter mir in Bewegung setzte. In meinem Kopf begann es sich zu drehen. Vor meinen Augen tanzten bunte Bilder umher und ich musste mich am Balkongeländer festhalten, um nicht zu Boden zu sacken.

Draußen schien alles in seltsamer Dunkelheit zu liegen, die gleichzeitig von einem fahlen Grau durchzogen war. Seitdem ich ein kleines Teleskop besessen hatte, war ich mich dem Nachtbild unserer Siedlung vertraut gewesen. Eigentlich hätte um diese Zeit die ein oder andere Straßenlaterne leuchten müssen. In ein paar Wohnungen wäre noch Licht zu sehen gewesen, selbst wenn es sich dabei nur um das flackernde Blau des Fernsehers gehandelt hätte. Alles wirkte seltsam heruntergedimmt und still. Die Häuser und Straßen schienen verwaist. Es erinnerte mich weniger an meine vertraute Wohnsiedlung, als mehr an eine Parallel-Version aus „Silent Hill“. Es fühlte sich an, als ob eine große Käseglocke über der Umgebung liegen würde, die mit dem Erscheinen der Wesen verbunden war. 

Die große freie Fläche vor dem Balkon war der ideale Standort für ein Objekt, das ungehindert über der Siedlung schweben konnte. Kein anderer Platz war so perfekt dazu geeignet wie dieser. Einige Erinnerungsbruchstücke aus meiner Vergangenheit deuteten an, dass ich an diesem Punkt ein kurzes Stück in den Himmel gehoben wurde. 

Ich war nicht mehr dazu in der Lage, meinen Kopf zu heben. Falls sich etwas über mir befinden sollte, so war es für mich in dieser Situation nicht mehr wahrnehmbar. Es war, als würde ich einige Zeit zusammengekrümmt am Balkongeländer stehen, während ich erfolglos dagegen ankämpfte, bei Bewusstsein zu bleiben. Das waren meine letzten Gedanken. Ich wusste – gleich war ich „weg“.

Ganz plötzlich ging es mir besser. Der Nebel der Benommenheit löste sich auf, und ich stand wieder fast vollständig aufgerichtet vor dem Geländer. Ich fühlte mich genauso wie zuvor, als mich die Wesen durch die Wohnung gelotst hatten. Was war gerade geschehen? Es hatte einen Bruch in meiner Wahrnehmung gegeben, und jetzt ging es ganz abrupt wieder zurück nach Drinnen. Ich folgte meinem inneren Drehbuch, drehte mich um und ging in die Wohnung. 

Auf dem Weg in mein Zimmer stieß ich am unteren Ende des Korridors auf den reglos dastehenden, großen Grey. Damit hatte er sich in der entgegengesetzte Position wie zuvor aufgestellt. Ich weiß noch, wie ich im Vorbeigehen das hell hervorstehende, erkennbare Grau seines Gesichts musterte, das so unbeweglich wie eine Statue auf mich wirkte.

Nach einer kurzen Erinnerungslücke bekam ich zum esten Mal bewusst mit, wie ich zurück in mein Bett gebracht wurde. Ich legte mich widerstandslos hin, während ein oder zwei der kleineren Wesen mit der Bettdecke beschäftigt waren und das große Wesen irgendwo im Hintergrund stand.

Ich konnte es trotzdem nicht ganz lassen.

Während sie bei mir standen und sich an der Bettdecke zu schaffen machten, um mich zuzudecken, drückte ich abermals auf den Schalter meiner Bettlampe. Die Wesen ließen es zu und machten einfach weiter. Genau wie zuvor passierte nichts. Direkt danach gingen die Wesen aus dem Zimmer.

Ich verweilte noch einige Momente lang in einem Dämmerzustand. Ich fühlte, dass ich kurz einzuschlafen drohte und zwang mich gewaltsam ins Wachbewusstsein zurück. Ich hörte Menschen, die draußen die Straße entlanggingen. Das Leben um mich herum war zurückgekehrt. Ganz so, als ob ein unsichtbarer Schalter umgelegt worden wäre, war die charakteristische Anwesenheit der Wesen innerhalb nur weniger Minuten verflogen. Apropos Schalter! Ich streckte langsam die Hand und drückte den Schalter der Bettlampe. Das Licht ging an.

Mein Blick auf die Uhr bestätigte einen Verdacht. Im Nachhinein konnte ich rekonstruieren, dass sich diese Ereignisse etwa im Zeitraum zwischen 2.30 Uhr bis kurz nach 3 Uhr abgespielt haben müssen. Selbst wenn ich die zeitlichen Geschehnisse weniger optimistisch einordnete, kam ich auf eine fehlende Zeit von 25 bis 30 Minuten. Irgendetwas muss auf dem Balkon passiert sein. Ein weiterer Hinweis darauf liegt in dem leichten „Anschlussfehler“, der in meiner bewussten Erinnerung zurückgeblieben ist – nämlich mein schwindendes Bewusstsein, das im scheinbar nächsten Moment schon wieder schlagartig verflogen war.

Da sich der große Grey bei unserem Gang auf den Balkon direkt neben dem CD-Ständer postiert hatte, konnte ich seine Größe ziemlich genau auf etwa 1,40 Meter bestimmen. Das einzige, woran ich nicht gedacht hatte, war die Jalousien vor dem Balkon zu prüfen. Es ist möglich, dass die Wesen sie bei ihrem Verschwinden einfach offen gelassen haben, aber ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. 

Was ich in Erinnerung behalte, ist der Blick auf meine verfremdete Umgebung. Es war, als wäre ich kurzzeitig aus meiner Welt gehoben und in den Einflussbereich der Wesen überführt worden. Ich fragte mich, welche Kräfte meinen vertrauten Ort dabei verändert hatten – oder ob er überhaupt von all dem berührt worden war. Obwohl ich jetzt mit anderen über meine Erfahrungen sprechen konnte, fühlte ich mich völlig isoliert von meinem Umfeld. Niemand schien je etwas von den Besuchen der Wesen mitbekommen zu haben. Die unnatürliche Stille, dieses Gefühl der Käseglocke, das ihre Anwesenheit begleitete, deutete auf eine bislang unbekannte Manipulation der Wesen hin. Ich fand bald heraus, dass diese Erscheinungen eine Konstante in UFO-Nahsichtungen und Entführungsberichten bilden und als OZ-Effekt bekannt sind. 

Grafik: Erstellt mit künstlicher Intelligenz von Microsoft Bing

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